Sammlung
Faltfächer
- Künstler/in
- –
- Entstehung
- London, England
- Datierung
- 1791
- Material
- Stäbe: Holz, geschnitzt, lackiert; Doppeltes Blatt: Papier, kolorierter Kupferstich
- Maße
- L. 28,5 cm; Dm. 28 cm
- Standort
- Bayerisches Nationalmuseum (nicht ausgestellt)
- Inventarnummer
- R 6122
- Bezug
- –
- Zugang
- –
Deckstäbe mit Blumenschnitzerei, die übrigen Stäbe rot lackiert. Für ihre Lackarbeiten nach fernöstlicher Art, bezeichnenderweise "Japanning" genannt, waren die Londoner Lackierer berühmt. Auf dem blau gedruckten, z.T. kolorierten Blatt ein Quodlibet von kreuz und quer übereinanderliegenden Zetteln mit Rätselsprüchen, Bilderrätseln und Noten, bezeichnet am oberen Rand: "Published Janʸ 1 st 1735 by John Cock & Co. N. 21 Wood Street". Nach einer seit 1735 bestehenden Vorschrift mußte in England auf gestochenen Fächerblättern der Verlegername genannt werden. Auf der Rückseite ein Rad mit zwölf Speichen und der nicht gedeuteten Umschrift: " MIRH.IS.A PASIME.BH.F.R.YUNG.AND.D.IF.N.AENDED.WIH.HE.SS.F.G." sowie der Ligatur TL in einem O auf der Nabe. 1868 wurden dem Bayerischen Nationalmuseum als Legat König Ludwigs I. einige Erinnerungsstücke aus dem Beitz seiner Mutter überwiesen, wozu wahrscheinlich auch dieser und ein weiterer Fächer (Inv.Nr. R 6104) gehörten. Beide Fächer sind auf der Rückseite parallel zu den Falten mit z.T. von denselben Händen stammenden guten Wünschen, Namenszügen und Daten in Bleistift versehen. Aus ihnen geht hervor, daß die Fächer Ludwigs I. Mutter Auguste Wilhelmine von Zweibrücken, geb. von Hessen-Darmstadt (1756-1796) und iherer Schwester Louise von Hessen-Darmstadt in Auerbach verwendet wurden, wo der hessische Hof im Schloß Fürstenlager seinen Sommeraufenthalt zu nehmen pflegte. Die Inschriften datieren aus den Sommermonaten der Jahre 1790-95. Die Besitzerin des bedruckten Fächers wird in den Inschriften nicht direkt angeredet, doch handelt es sich nach der Inschrift "Votre fidèle Auguste vous aime plus qu'elle ne peut vous L'esprimer chérissima Soer" um die zu diesem Zeitpunkt einzig noch lebende Schwester der Auguste, Louise von Hessen-Darmstadt. Die nächstfolgende, sich auf die vorgehende beziehende Inschrift "moi de même Louis" stammt möglicherweise von Augustes Sohn, dem späteren König Ludwig I. (doch hießen der Mann, der älteste Sohn und der älteste Bruder der Louise ebenfalls Ludwig). Eine Unterschrift "Louise" wird von der Hand ihrer Tochter (1779-1811) sein. Auf dem schlichten Fächer der Auguste von Zweibrücken fallen besonders die besorgten und herzlichen Wünsche ihrer Schwester Louise auf: "Soye toujours heureuse et / jouisses chere Soeur, du bonher / qu le ciel vous accorde: votre souvenir restera parmis nous come un bon ange tutelaire. L. Auerbach le 31. Juillet 1791", "Si ton sort dependoie de mes vouex / Il seroie assurement heureux. Avenir nous fera / oublier la peine du moment présent et que / le ciel nous accordera le bonheur de nous réunira l'année prochaine ici. mes veux vous suiverons partout, et j'espère quw le Dieu de Misericorde les examèra Adieu ma bienchère / Auguste, toujours votre attachèe Louise / Auerbach le 17. Sept. 1795". Der Wunsch, die Schwester im folgenden Jahr in Auerbach wiederzusehen, erfüllt sich nicht, da Auguste Wilhelmine ein halbes Jahr später dreißigjährig starb. Die Sorge der Louise von Hessen-Darmstadt nimmt möglicherweise Bezug auf die Gesundheit der Schwester, sicher aber auch auf deren unruhige Lebensumstände. So hatte Max I. Joseph sich und seine Familie 1790 vor den aufständischen Straßburger Bürgern nach Mannheim in Sicherheit gebracht, das seit 1794 beschossen und am 20. September 1795 den Franzosen übergeben wurde. Von Mannheim aus besuchte Auguste alljährlich den Familiensommersitz Auerbach. Unter den zahlreichen Namen der übrigen Sommergäste sind "George Prince de Hesse", ein Sohn der Louise und ihr Bruder "Louis", ein Sonderling, der sich ganz dem Okkultismus verschrieben hatte, zu nennen. "Lady Spencer", deren Unterschrift auf beiden Fächern zu lesen ist, könnte die Frau des britischen Staatsmannes und Freimaurers Lord George John Spencer sein, der engen Kontakt zu deutschen Freimaurern (vgl. Kat. Ausst. Wittelsbach und Bayern. München 1980, Bd. III, 1, S. 171, Anm. 176) und sicherlich auch zu der ausgesprochen freimaurerisch gesinnten Familie Hessen-Darmstadt unterhielt. Buß (1904 S. 123) verweist auf einen schlichten Fächer aus dem Besitz einer Nichte der Prinzessinnen von Hessen-Darmstadt, Fürstin Therese v. Thurn und Taxis, auf dem sich ähnlich innigen Inschriften von ihrer Schwester Königin Luise von Preußen und König Friedrich Wilhelms III. befinden. Bei den liebevollen Fächerinschriften in der Art von Stammbuchblättern handelt es sich wohl um eine verbreitete Sitte in der Zeit der Empfindsamkeit. Für die Kulturgeschichte des Fächers ist es interessant, daß in den Jahren nach der französischen Revolution ganz einfache Fächer - durch die Inschriften belegt - auch in höchsten Kreisen geschätzt und benützt wurden.
Systematik
Kleidung [Bekleidung, Kostüm] - Accessoire - Fächer