Sammlung

Stehender Engel von einer Taufe Christi (Figur)

Künstler/in
Hans Klocker (Werkstatt, Umkreis), Michael Pacher (Schule)
Entstehung
Brixen
Datierung
um 1490/1495
Material
Figur: Nadelholz, Farbfassung
Maße
Figur: H. 99,2 cm, B. 30 cm, T. 28
Standort
Bayerisches Nationalmuseum (nicht ausgestellt)
Inventarnummer
L 70/53
Bezug
Zugang
Unbefristete Leihannahme 1970, Bundesrepublik Deutschland. Gemäß der Vereinbarung vom 6.12.1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern. Von der Treuhandverwaltung für Kulturgut, übernommen vom Central Collecting Point München aus der Vermögenseinziehung Hermann Göring.

Der Engel in gegürteter, sich am Sockel stauender Albe ist vollrund durchgearbeitet. Sein rundliches Antlitz mit schräg geschnittenen Augen unter ansteigenden Brauenbögen wird von einem ausladenden Lockenkranz unter geflochtenem Reif gerahmt. Mit der rechten Hand hält er die vor seinem Körper angehobene Tunika Christi, deren linker Ärmel über dem angewinkelten linken Arm herabhängt. Die Ponderation der leicht ausschwingenden Figur wird von dem vortretenden Spielbein und der Neigung des Hauptes akzentuiert. Die Figuration der scharfgratig knickenden Gewandfalten umschreibt die Bewegungsmotive des durch Monumentalität ausgezeichneten Bildwerks. Die von Julius Leischnig und Gisela Scheffler geäußerte Vermutung, der Engel habe zu einer freiplastischen Gruppe der Taufe Christi gehört, geht sowohl von Stich 138 von Martin Schongauer als auch von den Stichen L 28 und L 29 mit der Taufe Christi vom Meister E.S. aus. Das charakteristische Motiv der Drapierung der Tunika findet sich bereits auf dem um von Rogier van der
1455 von Rogier van der Weyden geschaffenen Johannesaltar in der Gemäldegalerie Berlin-Dahlem (Kat.Ausst. Meister E.S. - Ein oberrheinischer Kupferstecher der Spätgotik, München/Berlin 1986/87, Kat.Nr. 14, 15, S. 31f.). Eine derartige Gruppe ist jedoch nicht als Freiplastik überliefert. Zu erwägen ist die ursprüngliche Zugehörigkeit des Engels zu einem Zyklus mit den Leidenswerkzeugen Christi. Ein thematisch verwandtes Bildwerk befindet sich im Württembergischen Landesmuseum, Stuttgart (Kat.Mus. Julius Baum, Deutsche Bildwerke des 10.-18. Jh., Kataloge der kgl. Altertumssammlung Stuttgart, Bd. III, Stuttgart/Berlin 1917, Kat.Nr. 110, S.143).
Stilistisch ist der Engel nach Gisela Scheffler mit der Büste des hl. Sigismund im Stift Wilten verwandt. Eine weitgehend übereinstimmende Parallele nach Faltenmotiven und Faltenstruktur bietet die Statue des hl. Leonhard aus Villnöß von Hans Klocker (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; vgl. Theodor Müller, Gotische Skulptur in Tirol, Bozen/Innsbruck/Wien 1976, Abb. 151, S. 439).

BV015774761
Zum Objekt: Julius Leischnig, Figurale Holzplastik Bd. I: Wiener Privatbesitz, Albert Fidgor. Kirchliche und profane Schnitzwerke, Wien 1908, Taf. XLII, Kat.-Nr. 85

BV023347845
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Wien, 1926: Gotik in Österreich. Wien 1926, S. 71, Kat.-Nr. 148

BV006798239
Zum Objekt: Die Sammlung Dr. Albert Figdor, Wien. Deutsche, niederländische, französische Skulpturen, 1. Teil, Bd. 4, Otto von Falke (Hrsg.), Berlin 1930, Kat.-Nr. 240

BV004629886
Zum Objekt: Mus.-Kat. Hans Peter Hilger, Alpenländische Galerie Kempten. Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums, München, BNM (Hrsg.), München 1991, S. 55-56 (mit Abb.), Kat.-Nr. 38

BV043964318
Zur Provenienz: Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern, Tätigkeitsbericht 2015/2016, Alfred Grimm (Hrsg.), München 2016, S. 83

Befund

In der großen linken Schüsselfalte handschriftlich mit Blaustift. "127" (Unterstein Skulpturen Inventar). Auf der Standfläche handschriftlich mit Blaustift " L70/53" (Inventarnummer im Bayerischen Nationalmuseum). Ein weißer Aufkleber, darauf handschriftlich "H 86" (Nummer im Göring Holzplastik Katalog). Auf der Rückseite zwischen den Flügelansätzen ein alter Aufkleber, es ist keine Beschriftung mehr zu erkennen. Auf der linken Schulter des Engels hinten Reste eines Aufklebers, darauf gedruckt "… 473".

Forschung

Vor 1908 durch Dr. Albert Figdor, Wien, in Salzburg erworben. Vor seinem Tod seiner Nichte Becker-Walz im Zuge der Gesamtübertragung der Sammlung Figdor geschenkt. Von dieser mit Kaufvertrag vom 6. Dezember 1928 über Gustav Nebehay an ein Konsortium aus Danat Bank, Jakob Goldschmidt, Fritz Thyssen, dem Bankier Franz Koenig aus Haarlem, Paul Cassirer und Edwin Czeczowiczka. Am 15. Dezember 1928 selbstschuldnerische Bürgschaft für die Zahlung einer Ankaufssumme von 10 Millionen für die gesamte Sammlung gegenüber der Familie Walz durch die Danat Bank unter Leitung ihres Geschäftsinhabers Jakob Goldschmidt. Diese durch Goldschmidt bis zum 5. Januar 1930 in drei Raten beglichen. Der Engel am 29./30. September 1930 in der Versteigerung im Hotel Esplanade, Berlin, Italienische Skulpturen und Plastiken in Stein, Holz, Stucco / deutsche, niederländische, französische Skulpturen aus der Sammlung Figdor, Nr. 240. Nicht verkauft. 1931 Übernahme des Danat-Bank-Konsortialkredits durch die Dresdner Bank. Der Übergang vom Konsortialbesitz in Bankbesitz ist nicht vollständig geklärt. Im August 1935 Verkauf der nun angeblich ganz der Dresdner Bank gehörigen Sammlung Figdor an den Preußischen Staat in Person der Staatlichen Museen zu Berlin, laut Liste 1 (Abt. F: Plastiken in Holz u. Stein [Nr. 1 bis Nr. 61], Nr. 52) mit eingetragenem Wert von RM 1.800.-. Im Kaiser Friedrich-Museum inventarisiert unter der Inventarnummer 8523. Im Juni 1936 von den Berliner Museen in einem Tauschgeschäft an Johannes Hinrichsen mit Wert von RM 3000.- verkauft. Im August 1936 im Besitz der Kunsthandlung Johannes Hinrichsen & Paul Lindtpainter, Berlin. Nicht identisch mit dem am 23. Juni 1941 von Hinrichsen über Vermittlung von Walter Bornheim München an Hermann Göring für RM 5000.- möglicherweise als Geschenk eines Unbekannten verkauften Engel, der in der Sammlung Göring im Göring Holzplastik-Inventar unter Nr. 114 inventarisiert wurde (wie hier zuvor angenommen wurde). Daher zu unbekanntem Zeitpunkt ab Herbst 1936 von Hinrichsen an die Sammlung Göring verkauft und im Göring Holzplastik-Katalog mit der Nummer H 86 versehen./I.v.z.M., 2016

Sammlung

Sammlung Hermann Göring

Münchner Nummer

6077

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