Sammlung

Abtsstab des Reichsabtes von Obermarchtal Paulus Schmid (1729-1796)

Künstler/in
Goldschmied: Georg Ignatius Christoph Baur
Entstehung
Augsburg
Datierung
1777
Material
Silber, getrieben, gegossen, graviert, ziseliert, punziert, vergoldet (teilweise); Almadine, geschnitten, geschliffen; Email
Maße
Gesamt: H. 205 cm, G. 3455 g, H. (Oberteil mit Krümme) 45 cm, B. (Krümme) 23 cm, T. (Nodus) 8,8 cm, G. 2213 g, H. (oberer Teil der dreiteiligen Stabröhre) 53 cm, G. 430 g, H. (mittlerer Teil der Röhre) 55 cm, G. 439 g, H. (unterster Teil der Stabröhre mit Spitze) 56 cm, G. 373 g
Standort
Fürstliche Schatzkammer Thurn und Taxis
Inventarnummer
93/211.1
Bezug
Zugang
Öffentlich-rechtlicher Übertragungsvertrag 1993, Fürst Thurn und Taxis Kunstsammlungen, Regensburg

Der aus vier auseinanderzunehmenden Teilen bestehende Stab trägt die weitgehend in Gußtechnik ausgeführte Krümme, die aus bewegten Rocaillen in stark plastischer Bildung geformt ist. Zusätzliche Akzente bilden die dicht gesetzten Almandine, die in Silberfassungen in Art von Blütenzweigen sitzen, so daß die Curva von vegetabilen Formen ornamentalen Charakters überzogen zu sein scheint. Über der Endung der Krümme erhebt sich jeweils eine Halbfigur: auf der Vorderseite der heilige Joseph mit dem blühenden Stab, auf der Rückseite die Muttergottes mit dem Lilienzweig, die jeweils von einer flachen glatten Strahlenglorie hinterfangen werden. Die plastische Gestaltung der Skulpturen läßt höchste Qualität erkennen; vermutlich lag hier das Modell eines Bildhauers zugrunde. Am Ansatz der Curva findet sich das in Emailmalerei ausgeführte Wappen des Paulus Schmid (1729-1796), der als letzter großer Abt dem Prämonstratenserstift Obermarchtal vorstand; die sorgfältig ausgeführte Emailmalerei steigert nochmals die farbintensive Wirkung des Abtsstabs. Zudem weist der untere Teil der Krümme das Datum 1777 auf; demnach entstand der Stab fünf Jahre nach der 1772 erfolgten Abtswahl des Paulus Schmid. Zu dem Abtsstab hat sich das originale Futteral in Form eines hölzernen Kastens mit Lederüberzug erhalten.
Der kurtrierische Hofgoldschmied Georg Ignatius Baur, der insbesondere auf dem Gebiet der kirchlichen Arbeiten eine reiche Tätigkeit entfaltete, schuf hier - in der höchst souveränen Verbindung von figürlichen und ornamentalen Elementen wie in der farblichen Differenzierung - ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst des ausgehenden Rokoko. Die stilistische Prägung ging wohl auf den ausdrücklichen Wunsch des Obermarchtaler Abtes Paulus Schmid zurück. Dies wird durch den Vergleich mit dem silbervergoldeten Bischofsstab im Augsburger Dom verdeutlicht, den Baur um 1777-1779 für Clemens Wenzeslaus von Sachsen, Kurfürst-Erzbischof von Trier und Fürstbischof von Augsburg, fertigte. Entsprechend den geschmacklichen Präferenzen des Wettiner Kirchenfürsten ist der Augsburger Bischofsstab, der keinen Edelstein- und Emailzier aufweist, in den strengen Formen des frühen Klassizismus gehalten.
Der Abtsstab zählte zu den Pontifikalien, die den Äbten - in Entsprechung zu den Bischöfen - als Insignien zustanden; hierzu gehörten ferner die Mitra, der Ring und das Brustkreuz (Kat.-Nr. 95). Der als Würdezeichen betont kostbar gebildete Stab der Prämonstratenserabtei Obermarchtal fiel in der Folge der Säkularisation des Reichsstiftes 1802/03 an das Haus Thurn und Taxis. Doch wurde er zunächst noch dem letzten Abt, Friedrich Walter, zur Verfügung gestellt. Wohl erst nach dessen Tod im Jahr 1841 überführte man die Insignie - das qualitativ bedeutendste Beispiel der Gattung aus Augsburger Werkstätten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts - in die Silberkammer des Schlosses St. Emmeram zu Regensburg.

BV000960154
Zum Beschauzeichen: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band III: Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, Kat.-Nr. 262

BV000960154
Zum Meisterzeichen: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band III: Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, S. 394, Kat.-Nr. 2403 z

BV000960152
Zum Objekt: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band I: Geschichte und Werke, Abbildungskatalog, München 1980, S. 158, 229, Abb. Taf. XII

BV010720310
Zum Objekt: Annette Schommers, Georg Ignatius Baur. Kurfürstlicher Hofgoldschmied in Augsburg, Biberach 1996, S. 99-101, 168-169, Abb. S. 12, 101

BV005982460
Zum Objekt: Max Müller, Rudolf Reinhardt, Wilfried Schöntag (Hrsg.), Marchtal. Prämonstratenserabtei, fürstliches Schloss, kirchliche Akademie ; Festgabe zum 300jährigen Bestehen der Stiftskirche St. Peter und Paul (1692 bis 1992), Ulm 1992, S. 143, 324, 327, Abb. S. 144

BV011726896
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, München, 03. Dezember 1997 - 07. Juni 1998: Von Glück, Gunst und Gönnern. Erwerbungen und Schenkungen 1992-1997, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1997, S. 130, Abb. S. 131

BV002596995
Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 1993, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1994, S. 20, Abb. S. 18

BV002539476
Zum Objekt: Erwerbungsbericht Bayerisches Nationalmuseum 1993, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, Bd. 44, München 1993, S. 231

BV012190176
Zum Objekt: Mus-Kat. Thurn und Taxis Museum Regensburg. Höfische Kunst und Kultur, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1998, S. 154-155, Abb. S. 154 S. 155, Kat.-Nr. 95

BV000960153
Zum Typus: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band II: Tafeln, München 1980, Abb. 702 f.

BV013859347
Zum Typus: Sabine Glaser, Untersuchungen zu spätgotischen Bischofsstäben, in: Jahrbuch des Vereins für christliche Kunst in München e.V. Bd. 19, Verein für christliche Kunst in München e.V. (Hrsg.), 1993, S. 261-413, S. 261-413

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