Sammlung

Kleinod des Ordens vom Goldenen Vlies

Künstler/in
Entstehung
Süddeutschland oder Österreich
Datierung
um 1775
Material
Gold, Smaragde; Diamant, Brillantschliff
Maße
B. 6,6 cm, L. 12,53 cm
Standort
Fürstliche Schatzkammer Thurn und Taxis
Inventarnummer
93/274
Bezug
Inv.-Nr. 93/274 - 93/281 und 2021/90.1-3 (Kleinode, Brustkreuze und Etui)
Zugang
Öffentlich-rechtlicher Übertragungsvertrag 1993, Fürst Thurn und Taxis Kunstsammlungen, Regensburg

Im Jahr 1430 wurde der Orden vom Goldenen Vlies von Herzog Philipp dem Guten von Burgund in Brügge gestiftet. Leitbild für die Wahl des Ordensnamens und -zeichens war der Mythos des griechischen Helden Jason, der als Anführer der Argonauten nach langen Irrfahrten das Goldene Vlies - das heißt das Widderfell - aus Kolchis geraubt und nach Griechenland heimgeführt hatte. Zugleich war im christlichen Sinne eine Anspielung auf das Wunder des vom Tau benetzten Vlies des Gideon impliziert, das auf die Unbefleckte Empfängnis Mariens verwies. Nach dem Erlöschen der burgundischen Dynastie im Mannesstamm ging die Würde des Ordenssouveräns auf den jeweiligen Chef des Hauses Habsburg über. Seit der Glaubensspaltung war der "Ordre de la Toison d'Or" der vornehmste Ritterorden der katholischen Welt. Erst nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers, König Karls II., kam es im Gefolge des Spanischen Erbfolgekrieges 1712 zu einer Spaltung des Ordens in einen österreichischen und einen spanischen Zweig.
Als erster Repräsentant des Hauses Thurn und Taxis wurde Eugen Alexander, Reichsgraf und Fürst unter der Souveränität Spaniens, 1687 von König Karl II. in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen. Die gleiche Auszeichnung kam auch nahezu allen Nachfolgern - und weiteren Angehörigen des Hauses, wie etwa Erbprinz Maximilian Anton - bis ins 20.
Jahrhundert zu, die jeweils vom österreichischen Ordenssouverän zum Vliesritter ernannt wurden. Hierin äußerte sich maßgeblich die enge und über Jahrhunderte gültige Bindung der Fürsten von Thurn und Taxis an das Haus Habsburg. Spezielles Interesse besitzen darum auch die beiden in Schloß St. Emmeram befindlichen Ganzfigurenbildnisse, die Fürst Anselm Franz und Fürst Carl Anselm im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies zeigen (deren Aufnahme in den Orden war 1731 und 1775 erfolgt).
Die auf den Porträts wiedergegebene Kollane - die dem Vliesritter persönlich verliehene und zu zeremoniellen Anlässen angelegte Ordenskette - verblieb stets im Eigentum des Ordens und mußte darum nach dem Tod des jeweiligen Trägers in den Ordenschatz zurückgegeben werden. Demgegenüber wurde das am roten Band als Halsdekoration getragene Kleinod nicht vom Orden verliehen, sondern durch den Vliesritter auf eigene Kosten angefertigt und verblieb so über dessen Tod hinaus im Besitz seiner Familie. Zwar durfte es offiziell keine Abänderung erfahren und auch nicht mit Edelsteinen besetzt werden. Doch wurden gerade im 18. Jahrhundert durchaus aufwendige Ausführungen geduldet, wie sie besonders Vliesritter von fürstlichem Rang in Kombination mit verschiedenen Juwelengarnituren anfertigen ließen. So gaben auch die Fürsten von Thurn und Taxis kostbare Kleinode des Ordens vom Goldenen Vlies in Auftrag. Aus der großen Zahl der - nach Aussage des Inventars von 1796 - einst im Hausschatz der Fürsten von Thurn und Taxis befindlichen Ordensdekorationen gelangten mehrere Exemplare, die zuvor schon durch die Entfernung der Vliese zu broschenartigen Schmuckstücken umgearbeitet worden waren, 1992 in Genf zur Versteigerung. Das Bayerische Nationalmuseum konnte hingegen die beiden einzigen intakt erhaltenen Kleinode des Ordens vom Goldenen Vlies aus dem 18. Jahrhundert erwerben, die nun erstmals im Regensburger Thurn und Taxis-Museum der Öffentlichkeit präsentiert werden. Beide "Toisons" sind - als Pretiosen höchsten Ranges - durch die außerordentliche Qualität der Komposition wie der Edelsteine ausgezeichnet.
Das bestimmende Element des Kleinods Kat.-Nr. __ ist der an einer Ringöse mit 17 Brillanten hängende "Coulant" (kompositorisch tritt das hier in vereinfachender Terminologie als "Coulant" bezeichnete Element an die Stelle des Feuerstahls, wie er sich bei den offiziellen Dekorationen des Ordens vom Goldenen Vlies findet). Im Zentrum trägt der "Coulant" einen großen quadratischen Smaragd von ungewöhnlicher Reinheit und Farbintensität, der mit 20 Brillanten karmoisiert ist; zudem wird der Smaragd von zwei ornamental verschlungenen Bändern umzogen, die oben - an der kompositorisch wichtigen Verbindungsstelle zwischen Ringöse und "Coulant" - zusätzlich eine Schleife mit einem größeren Brillanten aufweisen (insgesamt finden sich hier 99 Brillanten). Das an dem "Coulant" hängende Glied, das den Feuerstein mit dem Flammenbündel nachbildet, zeigt zu seiten eines in der Mitte befindlichen und mit 13 Brillanten karmoisierten Smaragden in Rechteckform beiderseits je sieben Flammenstrahlen mit zusammen 74 Brillanten. Das in Gold gegossene Vlies selbst, das an einer mit sieben Brillanten versehenen Öse hängt, ist an Hörnern, Hufen und auf dem Fell mit insgesamt 30 Brillanten besetzt.
Vermutlich wurde der "Toison" kurz nach der Aufnahme des Fürsten Carl Anselm in den Orden vom Goldenen Vlies, die zu Beginn des Jahres 1775 erfolgte, gemeinsam mit der Brillantgarnitur Kat. Nr. __ gefertigt. Auf einen derartigen Zusammenhang läßt vor allem die formale Verwandtschaft mit der Brillantparure schließen. Zur zeitlichen Einordnung des Vlieskleinods sei hier einerseits auf eine von dem Franzosen François Fistaines 1767 für Königin Mathilde von Dänemark geschaffene Châtelaine mit Uhr, andererseits auf die von dem Juwelier Franz Diespach 1768 gefertigte Hutagraffe aus der Brillantgarnitur im Grünen Gewölbe zu Dresden verwiesen: Beide Pretiosen zeigen ebenfalls schon klare Schleifenbildungen in Verbindung mit linearen Elementen, während sich gleichzeitig noch plastische Züge finden. Hingegen macht sich bei dem Kleinod mit den beiden Smaragden Kat.-Nr. __ bereits der beginnende Einfluß des Klassizismus bemerkbar, wie er in der recht strengen, weitgehend symmetrischen Form, in der stark linearen Komposition und in der beruhigten Führung der Feuerstrahlen hervortritt; nicht zuletzt manifestiert sich die Abwendung von der Schmuckkunst des Rokoko auch im Verzicht auf florale Elemente wie auf Überlagerungen der Edelsteine. Bemerkenswert ist zudem der ungewöhnlich große "Coulant", dem der quadratische Smaragd eine stark zentrierte Komposition verleiht.
Auch das Kleinod Kat.-Nr. __ besitzt als Schmuckstück außerordentlichen Rang. Der in der Umrißform sich einem Spitzoval nähernde "Coulant" hängt an einer mit 23 Brillanten besetzten Öse; die Verbindungsstelle wird durch einen größeren Brillanten markiert. Im Zentrum trägt der "Coulant" einen großen gelben Diamanten, der von einem leicht ovalen Ring aus zwanzig Brillanten umzogen wird. Die äußere Einfassung besteht aus weiteren 110 Brillanten; die Edelsteine sind so angeordnet, daß sie oben eine schleifenartige Bildung aufweisen, während sie nach unten hin an Zahl und Dichte zunehmen. Das als Feuerstein anzusehende Glied weist im Zentrum einen gelben Diamanten von geringerer Größe auf, der mit zwölf Brillanten karmoisiert ist. Links und rechts gehen von dem Edelstein je sieben Feuerstrahlen mit 88 Brillanten aus. Das bemerkenswert große Vlies ist dicht mit Brillanten besetzt, die zur Verdeutlichung der Zeichnung durch schmale Goldstege getrennt werden, so daß das als Träger dienende Gold kaum hervortritt.
Im Vergleich zu dem mit den zwei Smaragden versehenen Kleinod Kat.-Nr. __ erscheint der durch die gelben Diamanten ausgezeichnete "Toison" Kat.-Nr. __ wesentlich kompakter. Die Steine sind einerseits in der Größe stärker unterschieden, andererseits dichter plaziert, so daß sich keine ausgesprochen lineare Bildung ergibt. Vielmehr tritt gerade bei den Feuerstrahlen eine spezifische Bewegtheit und Plastizität des Reliefs zutage, wie sie sich nicht bei der Dekoration Kat.-Nr. __ findet. Möglicherweise ist das Kleinod einige Jahre früher entstanden. Hier mag man Fürst Carl Anselms Vater, Fürst Alexander Ferdinand, der 1749 in den Orden aufgenommen wurde, als Auftraggeber in Erwägung ziehen.
Nach Aussage des 1796 angelegten Schmuckinventars des Fürsten Carl Anselm gehörte zu der Brillantgarnitur Kat.-Nr. __ als Hauptstück ein großes Kleinod mit Brillantenbesatz: "La grande Toison superbe et très grande". Es kann nicht eindeutig entschieden werden, ob es sich bei Kat.-Nr. __ um diese offensichtlich bemerkenswert große Pretiose handelt oder aber um den in der Rubrik "Toisons d'hyver et en bijoux" unter Nr. 22 beschriebenen "Toison" mit Smaragden: "En Emeraude entourrée de Brillants". Das Kleinod Kat.-Nr. _ ist wohl mit dem dort unter Nr. 19 genannten "Toison" mit gelben Brillanten identisch.

BV002596995
Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 1993, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1994, S. 19, Abb. Abb. auf Umschlag

BV010764697
Zum Objekt: Martin Dallmeier ; Martha Schad, Das Fürstliche Haus Thurn und Taxis. 300 Jahre Geschichte in Bildern, Regensburg 1996, Abb. S. 20

BV011726896
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, München, 03. Dezember 1997 - 07. Juni 1998: Von Glück, Gunst und Gönnern. Erwerbungen und Schenkungen 1992-1997, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1997, S. 128, Abb. S. 129

BV012190176
Zum Objekt: Mus-Kat. Thurn und Taxis Museum Regensburg. Höfische Kunst und Kultur, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1998, S. 118-121, Abb. S. 119, Kat.-Nr. 36

BV019891219
Zum Objekt: 150 Jahre Bayerisches Nationalmuseum, Renate Eikelmann (Hrsg.), München 2005, S. 86, Abb. Abb. 72

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