Sammlung

Holzbibliothek: 82 Holzmusterbücher in einer Vitrine

Künstler/in
Candid Huber
Entstehung
Ebersberg
Datierung
1791
Material
Vitrine: Nussbaumholz, Fichtenholz, Glas, Messing (Beschläge), Papier; Holzmusterbücher: Holz, Pflanzenteile
Maße
Vitrine: H. 117,5 cm, B. 99,5 cm, T. 22,0 cm
Standort
Bayerisches Nationalmuseum (Saal 69)
Inventarnummer
88/271.1-83
Bezug
Zugang
Geschenk 2008, Evonik Degussa GmbH, Essen

Das 18. Jahrhundert war von starkem Bevölkerungswachstum und beginnender Industrialisierung geprägt. Die Wälder waren aufgrund angestammter bäuerlicher Nutzungsrechte wie der sogenannten Waldweide, der Eichelmast sowie der Gewinnung von Streu oder Futterlaub belastet und mussten zugleich die wachsende Nachfrage nach Bau- und Brennholz und anderen Holzrohstoffen wie Holzkohle, Harzen, Pech oder Terpentin stillen. Im Zuge der Agraraufklärung, die die Steigerung landwirtschaftlicher Produktivität verfolgte, entwickelte sich im 18. Jahrhundert die Forstwissenschaft mit dem Teilgebiet der Forstbotanik als empirische Naturwissenschaft. Durch Vertiefung der Kenntnisse der heimischen Gehölze sollten Kultur und Nutzung altbewährter Sorten verbessert und die Akzeptanz geeigneter neuer Arten gestärkt werden, um den Ertrag der Forsten gegenüber den Jahrhunderte lang tradierten Methoden der Wald- und Holznutzung zu steigern. Als Anschauungsmaterial traten neben wissenschaftliche Lehrbücher der Forstbotanik um 1780 Holzbibliotheken oder Xylotheken (vom griechischen Xylos für Holz). Hier ist jeder Baumart ein aus dem betreffenden Holz gefertigtes Kästchen in Form eines Buches gewidmet. Rinde bildet den Buchrücken, während im Inneren ein belaubter und ein winterlicher Zweig mit Knospen, weibliche und männliche Blüten, Samen, ein Stück Wurzelgeflecht und gelegentlich weitere Dinge wie Parasiten, ein Harzklumpen oder ein Baumpilz montiert sind. Die Hersteller solcher serienmäßig angefertigten Holz-Sammlungen fühlten sich der Wissenschaft ebenso wie der Volksbildung verpflichtet. Die meisten Eigentümer der kostspieligen Ensembles gehörten allerdings wohlhabenden Kreisen an. Das im originalen Schrank mit 82 Büchern erhaltene Exemplar des Bayerischen Nationalmuseums wurde 1792 von der kurfürstlichen Salinenverwaltung Traunstein erworben. Hergestellt wurde diese Holzbibliothek von Pater Candid Huber, der in Niederalteich und weiteren niederbayerischen Benediktinerklöstern den Waldbesitz und die Obstbaumpflanzungen betreute und zugleich Seelsorger in Ebersberg war. Forstwissenschaftler - zu denen Candid Huber nicht gehörte - kritisierten die Holz-Sammlungen heftig und monierten, dass der Forstmann zu bedauern ist, der die Holzarten, die ihm taugen, aus einem Kabinet kennen lernen muß. (Physikalisch-ökonomische Bibliothek 15, 1788). Mit Kabinet wurde auf den kunstkammerartigen Charakter der verblüffenden und verschrobenpreziösen Holzbücher angespielt. Das traditionelle Wissen um Standortvorlieben der Baumarten, Nutzungseigenschaften der jeweiligen Hölzer und anderer Teile wie Rinde, Harz, Früchte, Blüten oder Blätter in Handwerk und Technik, Ernährung und Medizin prägte das Verhältnis des Menschen zu Baum und Wald. Manche Bäume wurden in verschiedenen Kulturen mit bestimmten übersinnlichen Qualitäten verbunden, wovon in Deutschland beispielsweise Gerichtseichen und Dorfplatzlinden zeugen. Natursehnsucht und moderne Spiritualität begünstigen im 21. Jahrhundert die Auffassung, jede Baumart oder gar jedes Exemplar hätte einen eigenen Charakter und spende spezifische Kräfte. Allgemein anerkannt sind heute die Bedeutung der rekreativen Funktion der Wälder sowie der positive Beitrag zum Weltklima, den Bäume leisten, ohne dafür gefällt zu werden.

BV009699033
Zum Objekt: Ingolf Bauer, Nina Matt, Bayerns Landwirtschaft seit 1800. Texte zum Museum im Schafhof [Freising], Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums, München, Wolznach 1994, S. 212 ff.

BV002596995
Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 2008-2009, Renate Eikelmann (Hrsg.), München 2010, S. 23 f., Abb. S. 23

BV002596995
Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 2014-2015, Renate Eikelmann (Hrsg.), München 2016, S. 71

BV044350735
Zum Vergleich: Joachim Hamberger, Otto Bauer, Wald. Mensch. Heimat. Eine Forstgeschichte Bayerns, Freising 2017, S. 151-153, Abb. S. 152

BV046050370
Zum Objekt: Kat. Fünfzig Objekte in Buchform. Vom Reliquiar zur Laptoptasche, Philippe Cordez, Julia Saviello (Hrsg.), Emsdetten u. Berlin 2020, S. 112-116, Abb. S. 112

Systematik

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