Mechanisches Einmaleins am Hof? Eine Modellwinde um 1700
Die Miniaturwinde ist das älteste datierte technische Gerät dieser Art europaweit in einer öffentlichen Sammlung. Ihre aufwendige Gestaltung mit ornamental ausgesägten Messingblechen unterstützt die Funktion des zur Betrachtung einladenden attraktiven Stücks. Es handelt sich nicht um einen kleinen Wagenheber, sondern um ein Lehrinstrument zur Vermittlung mechanischer Grundkenntnisse.
Technische Modelle erfreuten sich im 17. und 18. Jahrhundert einer großen Beliebtheit. Die Modellwinde des Bayerischen Nationalmuseums stammt wahrscheinlich aus adeligem Besitz in Süddeutschland. Da sich das Monogramm auf der Vorderseite nicht auflösen lässt, kann das Stück leider nicht exakt zugeordnet werden. Seine Funktion hingegen ist klar: Es handelt sich um ein repräsentatives Modellgerät, mit dem die Funktionsweise einer Zahnstangenwinde anschaulich erklärt werden konnte, sie diente zur Fürstenausbildung bei Hof.
In der Kulturgeschichte der mechanischen Künste spielen technische Innovationen eine entscheidende Rolle. Zwischen 1500 und 1550 revolutionieren neuartige Geräte das Heben schwerer Lasten auf kurzer Distanz. Diese Zahnstangenwinden funktionieren nach dem damals bereits in der Mühlen- und Waffentechnik bekannten mechanischen Prinzip der Kraftübertragung. Dabei wurde eine kreisförmige Dreh- in eine vertikale Hebebewegung umgewandelt. Hierzu dient ein aus mindestens zwei Zahnrädern zusammengesetztes Getriebe, das mittels einer drehenden Kurbel die Zahnstange in Gang setzt.
Ein im Umkreis des berühmten lothringischen Künstlers Jaques Callot (1592-1635) entstandener Kupferstich zur Baukunst zeigt die Verwendung einer Zahnstangenwinde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: zwei Arbeiter heben damit einen großen Quaderstein an, um ihn weiter zu bearbeiten.
Zahnstangenwinde
Stahl, Holz, Messing; Süddeutschland, 1700
Ausgestellt in Saal 131
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